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Interview mit Jörg Jungedeitering zur BIM Implementierung

INTERVIEW

Rolf Mauer: Herr Jungedeitering, wie ich selbst erleben durfte, setzen Sie aktuelle 3D-Techniken und virtuelle Realitäten in Ihren Schulungen ein. Ausgerüstet mit dem Virtual-Reality-Headset Oculus Quest, das Sie den Schulungsteilnehmern zur Verfügung stellen, trifft man sich mit Ihnen in einem beeindruckenden virtuellen Raum, obwohl man das eigene Büro nicht verlässt. Welche Vorteile sehen sie in der Nutzung solcher Geräte?

Jörg Jungedeitering: Ja genau. Auf diese Entwicklung bin ich persönlich sehr stolz und freue mich, dass wir aus der Corona Krise heraus eine Idee umsetzen konnten, die den Zahn der Zeit trifft.

Wir haben alle gemerkt wie einfach es ist sich virtuell über Websoftware auszutauschen und abzustimmen. Wir möchten dem noch einen oben draufsetzen. In unseren realen BIM Schulungen führen wir Diskussionen, machen Brainstorming und führen Übungen an langen Wänden durch. Das ist über Teams, Google Meets usw. nicht möglich. Dazu fehlt die Fokussierung und die Möglichkeit zu diskutieren. All das und noch mehr haben wir in der virtuellen Welt.

Die virtuelle Realität war bisher in der Architektur lediglich „Spielkram“. Durch unsere virtuelle Welt können unsere Kunden lernen, was es heißt BIM zu machen und sogar Projekte unabhängig vom Ort koordinieren und gemeinsam abstimmen.

Jörg Jungedeitering

Rolf Mauer: Tatsächlich funktionierte die Technik überraschend gut. Man vergisst sehr schnell, dass man sich in einer virtuellen Realität befindet. Für mich war es die erste Schulung, die ich mit einer VR-Brille erlebte. Trotz meines Erstkontaktes mit dieser Technik, konnte ich ohne Eingewöhnungsphase direkt mit der Schulung beginnen. Werden wir uns alle in Zukunft in virtuellen Räumen versammeln, ohne dass wir uns von den eigenen Räumlichkeiten wegbewegen?

Jörg Jungedeitering: Das Gefühl was Sie in Ihrer Frage beschreiben nennt sich Immersion. Immersion beschreibt einen Effekt, der durch das vollständige Eintauchen in die virtuelle Welt hervorgerufen wird. Dabei geht das Bewusstsein des Nutzers, sich in einer künstlichen Welt zu befinden verloren, sodass die Umgebung als real empfunden wird.

Ich denke und hoffe, dass wir uns in Zukunft weiterhin real treffen werden. Jedoch sollten wir dabei den Nutzen eines Treffens und die Umweltbelastungen betrachten. Wöchentliche Projektbesprechungen, in der die einzelnen Beteiligten 5 – 10 Minuten Redezeit haben müssen nicht real stattfinden. Dafür sind die Reisezeit und auch die Umweltbelastungen zu hoch.

Ihre Aussage nach der VR BIM Schulung hat uns gezeigt, dass diese Art der Kommunikation und Projektkoordination sehr Zielführend ist. Sie haben gesagt, der Fokus auf das Gespräch und die aktuelle Aufgabe waren sehr viel stärker als in der Realität. Auch ich habe diesen Fokus wahrnehmen können und finde es beeindruckend.

Die virtuellen Welten erreichen immer mehr nützliche Anwendungen und werden in Zukunft in allen Branchen und Einsatzgebieten genutzt werden. Daher ja, wir werden uns früher oder später vermehrt in Zukunft in virtuellen Realitäten besprechen und treffen.

Rolf Mauer: Wie begleiten Sie ihre Kunden in das digitale Zeitalter. Wer sind Ihre Kunden und welche Auswirkungen hat das digitale Zeitalter auf unsere Arbeitsmethoden?

Jörg Jungedeitering: Aufgrund der geringen Standardisierung und schnellen Technologieanpassung ist der Weg in das digitale Zeitalter eines der größten Herausforderungen unserer Zeit. DiConneX möchte in den Bereichen des Building Information Modeling oder Management sowie in der ganzheitlichen Digitalisierung von Bauwerksinfrastrukturen einen wesentlichen Teil beitragen.

Unsere Kunden sind in verschiedenen Phasen des Gebäudelebenszyklus tätig. Angefangen in der Projektierung bietet DiConneX Leistungen in der Beratung und Begleitung von Bauherren, über die BIM Implementierung bei den Architekten und Fachplanern und der Implementierung des Digitalen Zwillings in den Betrieb. All diese Leistungen bilden unsere Mission als Gesamtdienstleister für die Digitalisierung von Bauwerksinfrastrukturen.

Um herauszufinden welche Auswirkungen das digitale Zeitalter für die Arbeitsmethoden in der Bau- und Immobilienbranche hat, ist es wichtig einen Blick auf die derzeitigen Methoden zu werfen und die wesentlichen Unterschiede herauszustellen. Bei einer Methoden-Betrachtung unterscheiden wir die Bereiche Prozesse, Menschen, Technologie und Standards.

Angefangen bei den Prozessen, gibt es zu früher den wesentlichen Unterschied – der Begriff Prozesse und dessen detaillierte Betrachtung ist sehr neu in den Bereichen des Planes, Baues und Betreibens. Hinsichtlich der Digitalisierung ist die Evaluierung und die Optimierung der Arbeitsabläufe und z.B. die Informationslieferprozesse essenziell und bildet sogar die Grundlage für die Entwicklung und Implementierung der BIM-Methodik.

Auch der Faktor Menschen, also die Arbeitsweisen der Mitarbeiter, die Partnerunternehmen und natürlich auch Anforderungen der Kunden müssen betrachtet werden. Dabei wird man feststellen, dass sich die Kommunikation und Organisation von Aufgaben sehr verändern wird und sich an die Möglichkeiten und Strukturen der digitalen Welt anpassen.

Diese Veränderungen haben sichtbar mit den neuen technologischen Anforderungen und Möglichkeiten zu tun. Zum Beispiel werden wir in Zukunft keine Mails mit angehängten Plänen oder Daten an unsere Projektpartner versenden, sondern werden die Daten für alle, aktuell verfügbar in Cloud-basierten Plattformen (Common Data Environment – CDE) bereitstellen.

In unseren BIM Projekten merken wir immer stärker, dass die Standardisierung in der digitalen Welt eine erhebliche Rolle spielt. Natürlich ergeben sich daraus auch viele Vorteile. Gerade mit dem Hintergrund des Fachkräftemangels, den hohen Fluktuationen aber auch der Geschwindigkeit des Arbeitsfortschritts auf allen Ebenen. Somit sind standardisierte Verfahren, Prozesse und auch Anforderungen ein hilfreiches und auch notwendiges Werkzeug im digitalen Zeitalter.

Mit der Betrachtungsweise der einzelnen Aspekte einer Methodik wird klar, dass das digitale Zeitalter unser Leben in allen Fassetten verändern wird.

Rolf Mauer: Welche Vorteile bietet das Werkzeug Digital Twinning, was kann der digitale Zwilling?

Jörg Jungedeitering: Der Digitale Zwilling ist ein Werkzeug, welches den Betrieb und die Nutzung einer Immobilie oder Bauwerks optimiert.
Der digitale Zwilling wurde bisher nicht allgemeingültig definiert und hat wie BIM, eine sehr weitreichende Anwendung und Ausprägung. Wir haben den digitalen Zwilling daher für uns beschrieben und ihn als ein Werkzeug zur Unterstützung der Kommunikation und Organisation des Gebäudebetriebs und dessen Nutzung definiert. Kurz gesagt: Der digitale Zwilling zeigt was das Gebäude fühlt. Der digitale Zwilling, wie wir ihn für unsere Kunden entwickeln, besteht aus einer einfach nutzbaren Browser-basierten Visualisierung und aus der Anbindung bestehender Informationsquellen, wie z.B. CAFM oder Dokumentenmanagement-Systemen. So fungiert die drei dimensionale Visualisierung ähnlich wie Google Maps als Absprungplattform in die jeweiligen operativen Softwaresysteme. Die Immobilien werden zunehmend smarter und digitaler. Durch Sensoren und Internet of Things können Gebäude im Betrieb ganzheitlich überwacht und gesteuert werden. Eben diese Technologien schaffen für den Digitalen Zwilling eine hervorragende Grundlage, um zu zeigen was das Gebäude fühlt und in welchem Zustand es sich aktuell befindet.

Der digitale Zwilling ist demnach ein Werkzeug welches Neu- und Bestandsbauten eins zu eins repräsentiert.

Rolf Mauer: Stellt der digitale Zwilling nicht auch über einen langen Zeitraum hohe Anforderungen an die Datenpflege und Datenaktualisierung?

Jörg Jungedeitering: Natürlich benötigt der digitale Zwilling ein gewisses Maß an Pflege und Aufwendungen, um stetig auf aktuelle Daten zugreifen zu können. Denn ein Gebäude und dessen Umfeld verändert sich ständig. Die Pflege der Daten und Informationen ist für die Digitalisierung und den digitalen Zwilling unerlässlich, zahlt sich in sehr viel Aspekten aber definitiv aus. In den traditionellen Verfahren wurde dieser Aufwand der Pflege von Bestandsunterlagen und Information in der Regel komplett vernachlässigt. Was uns in Zeiten von Ressourcen- und Lebensraumknappheit und immer komplexer werdenden Gebäude nun auf die Füße fällt. Der digitale Zwilling erfordert es sich mit der Aktualität der Daten und Informationen auseinander zu setzen, stellt jedoch gleichzeitig viele Möglichkeiten der Automatisierung bereit, um den Aufwand deutlich zu verringern. Auch die Megatrends der Zukunft, wie z.B. künstliche Intelligenz werden das Erfassen, Editieren und Verwalten von Daten sehr viel einfacher machen. Beispielsweise unterstützt uns das maschinelle Lernen dabei Informationen aus Bildern zu erkennen, um den digitalen Zwilling von Bestandsgebäuden teilautomatisiert mit Informationen zu befüllen.

Rolf Mauer: Wie kann ein Bauherr die Qualität der Daten prüfen?

Jörg Jungedeitering: Der Auftraggeber definiert am Anfang eines Projektes die Anforderungen an die Qualität der BIM Modelle (Fach- und Koordinationsmodelle). Gleichzeitig sollte der Bauherr auch, die für ihn möglichen Maßnahmen der Qualitätssicherung für die Planung, die Ausführungsphase und die Betriebsphase definieren.

Aus unserer Sicht sind zwei Aspekte der Datenqualität zu betrachten. Zum einen die geometrische Qualität. In dem Fall unterstützen wir den Bauherrn in der Ausführungsphase. Wir vermessen/scannen die Baustellen in den unterschiedlichen Errichtungsphasen und vergleichen die generierten 3D-Punktwolken mit den Planungsmodellen. Dieser Prozess nennt sich AS-Built Kontrolle oder auch „alt Deutsch“ Revisionsplanung. Somit kann das gesamte Gebäude cm-genau zwischen der Planung und dem realgebauten durchleuchtet werden.

Der zweite Aspekt ist die Sicherung der Informationsqualität. Dabei helfen uns nach und nach Bilderkennung und Objekterkennung aus den realerfassten 3D-Punktewolken und den erzeugten Panoramabildern. Wir betrachten in diesem Prozess nicht die Planungsdaten, sondern den Prozess der Übergabe von der Ausführung in den operativen Betrieb. In dieser Phase gibt es nach wie vor sehr viele Medienbrüche, die enorme Doppelarbeiten und Mehraufwendungen erzeugen und somit die Inbetriebnahme eines Gebäudes deutlich erschweren.

Faktisch ist die Sicherstellung der Datenqualität eine sehr komplexe und vielschichtige Aufgabe. Im Zuge eines Projektes sollte also vom Auftraggeber definiert werden welche Qualitätsansprüche er an die Daten hat. Daraus können dann wirtschaftliche Maßnahmen der Qualitätssicherung abgeleitet werden.

Rolf Mauer: Sie helfen Ihren Klienten bei der Integration digitaler Arbeitsprozesse. Sie beraten bei der Digitalisierung und Unterstützen in der Anwendung von Building Informationen Modeling. Was sind die typischen Problemstellungen, die sie mit Ihren Kunden lösen.

Jörg Jungedeitering: In unseren Schulungen für Unternehmen aus dem Planen, Bauen und Betreiben hören wir häufig ähnliche Problemstellungen bezüglich der BIM Implementierung. Darunter zählen in erster Linie die Probleme mit den eingesetzten Technologien. Die Schnittstellen funktionieren nicht, andere Beteiligte sind noch nicht soweit und vor allem welche Technologie muss ich nutzen.

Bei unseren Beratungsprojekten nach der Analyse der Unternehmen sind es jedoch häufig grundlegende Probleme, die eine Implementierung von BIM oder digitalen Arbeitsweisen erschweren. Darunter zählen die Betrachtung der internen und externen Prozesse, das Erzeugen von Akzeptanz zur Veränderung und vor allem das Wissensmanagement.

Für uns ist klar geworden, dass die Technologie Frage meist hinten angestellt werden sollte. Die Frage der Technologie ist die einfachste Entscheidung. Jedoch in Hinblick auf die Anschaffung und vor allem bei einer falschen Entscheidung die teuerste. Das bedeutet im Klartext. Erst die Prozesse erfassen und die Menschen mitnehmen und dann die passende Technologie-Entscheidung treffen.

Rolf Mauer: Ihr Unternehmen sieht sich als Gesamtdienstleister für die Gebäudedigitalisierung. Nennen Sie uns bitte ein paar Referenzen für ihr Portfolio.

Jörg Jungedeitering: Unsere Kunden kommen aus dem Bereich des Maschinenbaus, Produkthersteller, Planungsunternehmen und Bauherren unterschiedlicher Assetklassen. Im Detail zählen zu unseren Referenzen die Deutsche Bahn, BMW-Welt oder das Ingenieurbüro Dr. Born-Dr. Emel GmbH.
Unser Auftrag für die Deutschen Bahn war es ein ICE-Werk zu scannen, um später einen Digitalen Zwilling zur Bewirtschaftung des Gebäude- und Anlagenmanagements nutzen zu können. Auch für die BMW-Welt haben wir einen Digitalen Zwilling erstellt, damit dieser im Facility Management zur optimierten Bewirtschaftung angewendet werden kann.

Für das Ingenieurbüro Dr. Born-Dr. Emel GmbH haben wir das Unternehmen und deren Abläufe analysiert. Aus dieser Analyse wurden Handlungsempfehlungen mit Meilensteinen für die BIM Implementierung abgeleitet.

Rolf Mauer: Herr Jungedeitering, vielen Dank für das Interview.

Bild aus einer virtuellen Schulung von DiConneX

Jörg Jungedeitering beschäftigt sich seit 2012 mit den Themen der BIM Methode. Seine umfangreiche Expertise in den Bereichen BIM Implementierung und Management mit den Schwerpunkten der Prozessoptimierung und Standardisierung, bildet die Grundlage für die Kompetenzfelder der DiConneX GmbH.

Bei Dozententätigkeiten in Aus- und Weiterbildungsinstitutionen gibt er regelmäßig sein Wissen weiter, um das Thema BIM und Digitalisierung in Deutschland zu verbreiten und zeigt dabei neue Wege in der Implementierung und Umsetzung auf. Er arbeitet in den verschiedenen VDI Arbeitskreisen der DIN 2552 mit und beschäftigt sich somit aktiv mit der benötigten Standardisierung für das Digitale Zeitalter.

Mit der Gründung der DiConneX GmbH verbindet er sein Know-How mit der Nutzung von innovativen Methoden und Technologien, und schafft die Voraussetzung für die ganzheitliche Betrachtung der Digitalen Möglichkeiten. Gepaart mit dem Willen neue Wege einzuschlagen, verhilft die DiConneX nach eigenen Angaben ihren Kunden zu effizienten Prozessen und transparenten Daten.

Dadurch ergibt sich auch die Mission des Unternehmens:
„Wir erstellen schnell und für jeden nutzbare, Browser basierte Infrastrukturen in 3D und optimieren den Betrieb über den gesamten Lebenszyklus.“

Virtuelle BIM Schulungen von DiConneX sind hier zu finden: diconnex.com/virtuelle-bim-schulung/

Die nächsten Termine der Schulung sind: 16.09.2020, 21.10.2020, 11.11.2020, 02.12.2020