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Building Information Modeling (BIM) als Chance

Building Information Modeling (BIM) beschreibt die Methodik einer optimierten Gebäudeplanung, die Ausführung dieser Planung und die Bewirtschaftung (Facility-Management) von Gebäuden mit Hilfe von Software. Mit Building Information Modeling, auf Deutsch Bauwerksdatenmodellierung, werden alle relevanten Gebäudeinformationen digital modelliert, kombiniert und erfasst. BIM verbindet alle planerischen Disziplinen in einem — im Kern  dreidimensionalen — Gebäudemodell. Dieses Modell enthält sämtliche für den Bau und den späteren Betrieb relevanten Informationen. Welche Chancen ergeben sich mit der Planungsmethode BIM für Architekten, Ingenieure und Planer? Wir geben Antwort.

Gesellschaftliche Veränderungen und technische  Innovationen nehmen global zunehmend Geschwindigkeit auf. Etablierte Industrien, man schaue nur die Automobilindustrie und ihre neuen Konkurrenten, verlieren ihre Vormachtstellung. Keine Industriesparte, erst recht nicht die kleinteilige, sehr mittelständig orientierte europäische Baubranche, wird angesichts dieser Umwälzungen unverändert in einem geschützten Wirtschaftshabitat überwintern können. Die Umwälzungen sind in vollem Gang: Beispielsweise werden Verfahren aus der Welt der herkömmlichen Drucktechnik aktuell modifiziert und ermöglichen es, Gebäudeteile dreidimensional zu drucken. Auch wenn diese Innovationen aktuell noch keine Serienreife erreicht haben, darf festgestellt werden, dass uns eine ungeheure technologische Dynamik erfasst hat. Daraus resultiert, dass Architekten und  Planer, auch die Generationen, die ihre ersten Entwürfe noch mit dem Tuschestift festhielten, starken Veränderungen in ihren Arbeitsweisen unterworfen sind.

Wenn wir als europäische Architekten und Ingenieure nicht innovationsführend bleiben, werden wir erleben, dass unsere Ausführungspläne zukünftig in Ländern entstehen, deren Lohnkosten konkurrenzlos günstiger sind als wir das in unseren Breitengraden gewohnt sind. Die intime Kenntnis aller hier gebräuchlichen DIN- und EU-Normen schützt uns nicht davor, das Planungsleistungen auch in fremde Länder vergeben werden können. Die Globalisierung hat unser Ingenieurwissen in der Vergangenheit durch vielbeachtete Bauprojekte erfolgreich in die ganze Welt verteilt. Unsere westliche Baukultur prägt rund um den Globus prominente Orte und ganze Städte. Wir werden jedoch erleben, dass exportiertes Know-how in Konkurrenz zu unserer eigenen Kompetenz treten wird.

Einfluss der Politik

Die Politik fordert den Einsatz der Planungsmethode BIM aus einem einfachen Grund. Wie alle Bauherren versucht sie Kosten, Termine und die Qualität am Bau über BIM Prozesse zuverlässig zu steuern. Die Politik trägt die gesellschaftliche Verantwortung für unsere Infrastruktur und hat zusätzlich einen großen Bedarf an kostengünstigem Wohnungsbau. Insofern basiert der Grund für die Forderung der Politik zum Einsatz der Planungsmethode BIM auf dem Glauben, mit der Einführung von BIM würde alles schneller, besser und günstiger werden. Ob diese Hoffnung sich erfüllt bleibt abzuwarten. Wenn die Politik entscheidet, die Prozesse des Bauens optimieren und weiter entwickeln zu wollen, ist das generell zu begrüßen. Jedoch darf die Aufgabe, das Bauen innovativer zu gestalten, nicht nur ausschließlich an die Architekten delegiert werden, denn die Baubranche trägt mit allen Handelnden eine große Verantwortung für unsere Umwelt. Die Politik bleibt in der Pflicht, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Etablierte Planungsmethoden ändern sich

Der Einsatz von „computer-aided design“ (CAD) ist als digitale Planungsmethoden bei Architekten und Ingenieuren seit Jahrzehnten Standard. Zusätzlich wird seit geraumer Zeit mit der Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) vermehrt auf 3D-Gebäudemodelle gesetzt. Diese 3D-Modelle sind jedoch keine ausschließlichen Präsentationszeichnungen, sondern Basis für ein umfangreiches Datenmodell, das die Baubranche revolutioniert. Was in anderen Branchen bereits State of the Art ist, wurde im Baubereich erst sehr zögerlich eingesetzt. Dahinter steckten zum Teil Bedenken gegenüber einer zunehmend als aufwändiger empfundenen Planung. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall, die Vorteile des Building Information Modeling (BIM) überwiegen.

Die Rolle des Architekten

Einige Kompetenzen des klassischen Planers, also des Architekten und Ingenieurs, wurden in den vergangenen Jahrzehnten von Spezialisten übernommen, die sich ausschließlich um das Baumanagement kümmerten. Einprägsamstes Beispiel ist der Projektsteuerer, der delegierbare Bauherrenaufgaben übernommen hat und sich zwischen Auftraggeber und Architekt positioniert. Hochkomplexe Bauaufgaben haben zunehmend zu einem vertieften Spezialistentum geführt, dessen Koordination Schwierigkeiten bereitet. Nicht wenige prominente Baustellen sind beredtes Beispiel für die aktuellen Probleme innerhalb der Baubranche.

Die Planungsmethode BIM hilft, alle Planungspartner zu einer kompetenten Gruppe zu bündeln. Ein erfolgreiches Team muss geleitet und koordiniert werden, Architekt und Ingenieur

sind durch ihre Ausbildung und Erfahrung prädestiniert, diese Leitungsposition einzunehmen. Strukturierte, digitale Planungsmethoden wie Building Information Modeling helfen, die

Aufgaben Gestaltung, Baumanagement, Werkplanung und Bauüberwachung zu organisieren und vertragssicher zu erfüllen. Die für gute Architektur notwendige Kreativität wird durch das Arbeiten mit dem Computer bzw. durch die digitale Planungsmethode nicht ersetzt; dafür können sich Planer auf ein sehr leistungsfähiges Tool stützen, das bislang nicht bekannte Lösungen und Techniken ermöglicht.

Was BIM leistet

Building Information Modeling (BIM) ist die digitale Darstellung und Erfassung aller physischen und funktionellen Merkmale eines Bauwerks. Durch eine jederzeit vollständig einsehbare Sammlung aller grafischen und textlichen Projektdaten schafft BIM für alle Planungsbeteiligten eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage während des gesamten Planungs- und Lebenszyklus eines Gebäudes. Die von Architekten und Ingenieuren als Volumina erdachten Gebäude und Ingenieurbauwerke werden mit der Planungsmethode BIM bereits in der Entwurfs- und Werkplanung dreidimensional entwickelt, beschrieben und dargestellt. BIM sorgt aktuell für eine Neuorientierung der Planungs- und Baubranche bzw. eine neue Rollenverteilung innerhalb den Berufsgruppen der Planer, Architekten und Ingenieure.

Dabei ist BIM mehr als eine softwaretechnische Umsetzung, bei dem ein 3D-Modell erstellt und genutzt wird. Es ist eine Planungsmethodik, die Menschen in den verschiedensten Disziplinen über hochmoderne Technologien verbindet. In BIM sind nicht nur die räumlichen Qualitäten eines Bauwerks dimensioniert und beschrieben, sondern auch alle Funktionen eines Gebäudeteils bzw. eines Raumes und seine technischen und materiellen Ausstattung. Der große Vorteil liegt darin, dass alle Projektbeteiligten auf eine projektorientierte Datensammlung – das sogenannte BIM-Modell – gleichzeitig Zugriff haben und somit ständig auf dem gleichen Kenntnisstand sind.

Vorteile von BIM

BIM ist keine Methode, deren Anwendung mit der Größe eines Architekturbüros zusammen hängt. BIM lohnt sich für kleine, mittlere und auch große Projekte gleichermaßen. Natürlich kann man hinterfragen, ob sich jeder Planer mit dieser Planungsmethode beschäftigen muss, diese Frage hat aber nichts mit der Mitarbeiteranzahl des Büros zu tun. Auch für kleine Büros mit ein bis zwei Personen ergeben sich in unserer vernetzten Welt Vorteile beim Einsatz von BIM. Mit Hilfe der Planungsmethode BIM können sich kleine Büros projektbezogen zu größeren Einheiten und Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen. Diese können ihre Aufgaben und ihr Know-how bündeln, notwendige Investitionen können so geteilt werden.

Die Planungsmethode BIM funktioniert nur in einer erfolgreichen Kooperation aller am Bau Beteiligten. Dem Bau eines Gebäudes geht  in der Regel eine umfangreiche Grundlagenermittlung sowie eine intensive Entwurfs- und Planungsphase voraus. Architekten, Bauingenieure und viele Fachplaner tauschen nach der Entwurfsphase eine große Zahl von Werkplänen aus, bis letztlich eine Fassung vorliegt, die an den Baustellen die Vorlage für die Realisierung des Bauherrenwunsches ist. In der Regel arbeiten die Fachplaner parallel an ihren Ausführungsplänen und klären Details mit aufwändigen Jour-Fixes die Zeit kosten und zu Fehler führen können. Die Planungsmethode BIM erleichtert die Zusammenarbeit, da alle Planungsbeteiligten permanent auf eine einheitliche Datengrundlage zugreifen können und Änderungen transparent und in Echtzeit stattfinden. Die Arbeit mit BIM oder generell mit modellbasierten Planungsprozessen muss jedoch noch standardisiert werden. Diese neuen Standards sind nicht nur technologischer, sondern auch rechtlicher Natur. Bauherren Planer, Juristen sowie Verbände und die Politik sind aufgefordert im Dialog BIM-Standards zu entwickeln und zu kommunizieren. Auch die Entwicklung von einheitlichen digitalen Bibliotheken und BIM-Werkzeugen muss im Dialog zwischen Anwender und Softwareentwickler stattfinden. Beide Berufsgruppen werden durch vollkommen andere Sichtweisen geprägt und sind aufgefordert branchenübergreifend zusammenarbeiten.

BIM in der Praxis

Bereits vor Projektstart sind generelle organisatorische Lösungen final festzulegen. In der Regel müssen diese bei neuen Projekten nur angepasst und nicht neu entwickelt werden. Planerische Rahmenbedingen und Zuständigkeiten müssen vor dem Start der Planungsmethode BIM abschließend definiert sein. Angefangen vom Bauherrn über den Architekten bis hin zu den Fachplanern muss jeder Vertragspartner seine Pflichten und Aufgaben kennen. Das scheint auf den ersten Blick etwas aufwändig, jedoch entsteht generell nicht mehr projektbezogener Klärungsbedarf als bisher, dieser wird jedoch viel früher und umfassender abverlangt. Dadurch können alle Planungsbeteiligten mit einem Maximum an Vorbereitung, Struktur und Organisation an die Arbeit gehen. Alle Beteiligten werden einen höheren Grad an Integration in das Planungsgeschehen wahrnehmen, wenn die Prüfung der verschiedensten Interessen im Vorfeld abgeschlossen ist, also bevor man an die eigentliche Planungsarbeit geht. Die Planungsmethode BIM ermöglicht ein intensiveres Arbeiten mit 3D-Modellen. Der Bauherr oder der spätere Nutzer kann sehr viel früher anschaulich erfahren, wie sein neues Gebäude final aussehen wird.

Architekten und Ingenieure werden in ihren Architektur- und Planungsbüros die Arbeitsabläufe teilweise ändern und anpassen müssen. Insbesondere müssen Methoden zur Überprüfung der Modelle etabliert werden. Mit den verschiedensten Fachplanern kann eine büroübergreifende, funktionierende  Zusammenarbeit etabliert werden, die ohne die BIM-Methode schwieriger zu realisieren wäre.

Ganzheitliches Denken und Handeln

Teil des BIM-Prozess ist die offene Kommunikation und Dokumentation von Risiken zwischen Bauherren, Planer und Ausführenden sowie Facility Managern. Die zunehmende Fragmentierung der Verantwortung im Planungsprozess gehört der Vergangenheit an. Professionelle Bauherren und Investoren verlangen gezielt nach einem Ansprechpartner für alle Risiken. Die Komplexität moderner

Gebäude und Bauprozesse wird die bisherigen Spezialisten und Projektsteuerer zunehmend in den Hintergrund drängen, der Ruf nach einem  Planer als Generalverantwortlichen ist unüberhörbar. Mit Hilfe des modellbasierten Planungsprozesses BIM können sich Architekten und Bauingenieure dieser Verantwortung stellen. Die Baubranche braucht eine neue Kultur des Vertrauens zwischen Auftraggebern, Planern, Bauunternehmern, den beteiligten Handwerkern und der Öffentlichkeit. Nur so lassen sich gut gestaltete und hochwertige Gebäude, Ingenieurbauwerke und städtischen Räume realisieren. Der Architekt und der Ingenieur müssen bereit sein, ihre angestammte Rolle wieder zu übernehmen als diejenigen, die das Bauen vom Anfang bis zum Ende verantworten. Die Planungsmethode BIM ist dabei überzeugendes Werkzeug um effizient und qualitätsbewusst sowie termin- und kostensicher zu bauen.

Daten als neue Währung

In einer vernetzen Welt sind Daten von großem Wert. High-Tech Giganten wie Google verschenken viele ihrer Produkte, weil sie darüber eine neue und immer umfangreichere Datenbasis gewinnen.

Architekten und Ingenieure sind Erzeuger digitaler Daten. Ihre Planungen und digitalen Daten beschreiben Immobilien von beträchtlichem Wert. Kreative Entwürfe und der daraus entstehende, mit digitalen Vektoren beschriebene Raum manifestieren sich in einem Gebäude wie der Elbphilharmonie oder in einem Straßen- oder Bahntunnel. In jeder so erzeugten Datenbasis ist projektbezogen ein wesentlicher Anteil planerischen Knowhows enthalten. Planer können sich in die Wertschöpfungskette der mit der Planungsmethode BIM erzeugten Daten einklinken und diesen Mehrwert über die gesamte Lebensdauer einer Immobilie halten und verwerten.

Vorsprung durch Innovation und Netzwerke

Eine zunehmende Vernetzung ist für die Wirtschaft gelebte Selbstverständlichkeit. Auch für Planer werden technologische Innovationsvorsprünge und aktiv gepflegte Kompetenz-Netzwerke wichtiger. Lean Construction als Beispiel für einen integralen Ansatz bei der Planung, Gestaltung und Ausführung von Bauprojekten sowie die Implementierung kybernetische Prozesse im Bauen sind Prozesse die mit der Planungsmethode BIM strukturiert und mittels digitaler Planungsmethoden in den Planungsprozess mit eingebunden werden.

Ingenieure und Planer sollten nicht der Entwicklung hinterher rennen, sondern müssen diese neuen Technologien frühzeitig beeinflussen. Wer einer Planungsmethode wie Building Information Modeling mit Skepsis begegnet läuft Gefahr technologisch abgehängt zu werden. Nicht die Größe eines Büros wird in Zukunft das Entscheidende sein, sondern die Fähigkeit mit den Anforderungen der digitalen Welt zurechtzukommen. Unterschiedliche Kompetenzen müssen projektbezogen zusammengebracht werden und je nach Aufgabenstellung an der richtigen Stelle eingesetzt werden.

BIM in der Zukunft

In naher Zukunft werden neue Berufsfelder entstehen, wie zum Beispiel der „BIM-Manager“, der den planerischen Gesamtprozess organisiert und in seiner Verantwortung auf der Bauherrenseite platziert ist. Daneben ist der „BIM-Koordinator“ angesiedelt, der für das gesamte Planungsteam steht. Die in der HOAI definierte Koordinierungspflicht  ist eine gute Begründung für die Übernahme der Aufgabenstellung des BIM-Manager und des BIM-Koordinators. Letzterer überwacht alle planerischen Abläufe, koordiniert und prüft. In der Architektenschaft wird teilweise die Ansicht formuliert, dass Planer eine höhere Spezialisierung brauchen. Das muss hinterfragt und diskutiert werden. Als Beispiel kann das amerikanische Planungsmodell betrachtet werden. In den USA gibt es hoch spezialisierte technische Zeichner, die die Skizzen der Entwurfs-Abteilung umsetzten. Der technische Zeichner arbeitet kontinuierlich an verschiedenen Planungen und ist nicht konkret in einem speziellen Projekt verankert.  Auch in europäischen Gefilden werden wohl Spezialisten nur noch für bestimmte Arbeiten ausgebildet. Für die Zukunft sind kulturelle Änderungen im Arbeitsprozess für Architekten absehbar. Wir dürfen gespannt bleiben und sollten neue Aufgaben mit der gewohnten Souveränität übernehmen.