Anwendungsbeispiele des Forschungsprojektes DigitalTWIN
Projektpartner aus Industrie und Forschung entwickeln bis 2021 digitale Werkzeuge und Techniken weiter, um Dienste, Prozesse und Abläufe entlang der Wertschöpfungskette des Bauwesens zu vernetzen und zu automatisieren. Bei DigitalTWIN – Digital Tools and Workflow Integration for Building Lifecycles – steht das Verständnis für systemische Abhängigkeiten und Wechselwirkungen im Vordergrund, weshalb die Forschungspartner aus sehr unterschiedlichen Branchen und Tätigkeitsfeldern kommen.
Im Rahmen des Smart Service Welt II – Förderprogramms wird DigitalTWIN durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Die Sicherung Deutschlands als leistungsfähiger Produktions- und Innovationsstandort sowie der Ausbau digitaler Dienste im Mittelstand sind dabei zentrale Förderziele des Bundes. Die Herausforderung des Anwendungsmarktes Bauwesen sind wechselnde Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten über den Gebäudelebenszyklus, international unterschiedliche Standards und Regulierungen sowie ständig wechselnde Partner bei Planung, Fertigung und Betrieb. Eine offene Plattformarchitektur, weiterentwickelte Breitbandkommunikationstechnologie und Computer Vision Technologien sollen bei DigitalTWIN die Planung, Fertigung und Abstimmung mit der Baustelle vereinfachen und dem Anwender eine vertrauenswürdige und flexibel erweiterbare Kommunikations- und Administrations-Infrastruktur zur Verfügung stellen.
Use Cases (Anwendungsfälle) und geplante Demos
Nachdem das Forschungsprojekt im Juni 2018 seinen offiziellen Kick-off mit allen Beteiligten hatte, wurden in weiteren Workshops die Marktgegebenheiten, Technologien und Standards analysiert und Erfahrungen der unterschiedlichen Disziplinen ausgetauscht. Darauf aufbauend entwickelte das Konsortium drei Use Cases (Anwendungsfälle), die exemplarisch relevante Fragestellungen und die Schnittstellen zwischen Planung, Fertigung und Gebäudebetrieb thematisieren:
Die Forschungsfelder beziehen sich auf drei Bereiche
- Monitoring im Gebäudebetrieb und Wartungsunterstützung am Beispiel von überwachten Fassaden
- Qualitätssicherung am Beispiel von Schweißarbeiten und einer virtuellen Schweißprüfung in der Fertigung
- AR-Montageunterstützung am Beispiel eines Gitterschalen-Puzzles auf der Baustelle
Anhand dieser Anwendungsfälle werden in den kommenden 30 Monaten Techniken, Dienste und Anwendungen entwickelt und an einem Demobauwerk des kooperierenden Sonderforschungsbereich 1244 der Universität Stuttgart sowie bei Messeauftritten gezeigt.
Use Case 1
Use Case 1 thematisiert die einfache Verfügbarkeit und Visualisierung von live Mess- und Prüfdaten am Gebäude mittels des digitalen Zwillings durch Nutzung von Edge-Cloud- und Cluster-Computing-Technologien. Neuartige druckentspannte, mehrschalige Fassadenelemente versprechen eine langjährige, wartungsarme Nutzung. Um den Kunden eine nutzungsoptimierte und zielgerichtete Wartung anbieten zu können, werden die Zustände der Glaselemente kontinuierlich überwacht. Die Aufnahme von Temperatur-, Feuchte- und Luftdruckwerten ermöglicht zudem eine detailliertere Aufzeichnung von Wetterdaten für die Gebäudesteuerung. Die gemeinsame Nutzung der Messdaten von Nutzern, Betreibern, Produktherstellern und Planern ist ein exemplarischer Anwendungsfall für die Entwicklung und Pflege eines gemeinsamen digitalen Zwillings. So soll der Use Case genutzt werden, um die Grundfunktionalitäten der digitalen Plattform (Hardwareanbindung, Rechte- und Rollenverwaltung, Datenschutz und Sicherheit) zu entwickeln, Auswertealgorithmen zu implementieren und erste individuelle Dienste mit AR-Technologien umzusetzen (Visualisierung am 3D Modell, Remote Access zur Wartungsunterstützung). Die erforderliche Hardware-Infrastruktur wird auf Basis bestehender Technologien umgesetzt.
Use Case 2
Use Case 2 beinhaltet eine virtuelle Schweißprüfung und die Dokumentation in der Fertigungshalle sowie mobil auf der Baustelle, um Präsenzzeiten von Prüfern zu reduzieren und einen durchgängigeren, effektiven Ablauf bei der Herstellung und Prüfung von geschweißten Stahlbauteilen zu realisieren. Die Prüfung soll durch eine Remote-Prüfung der Schweißnähte auf Basis eines möglichst genauen digitalen Zwillings der Schweißnaht erfolgen. Dabei werden sowohl alle Informationen zur geplanten und tatsächlichen Geometrie, zum Basismaterial, den verwendeten Werkzeugen und Maschinen, den Einstellungsparametern sowie sämtliche Mess- und Scandaten zur besseren Prüfung und zur lückenlosen Dokumentation bereitstellt. Der Use Case untersucht damit auch die Leistungsfähigkeiten neuer Computer Vision Technologien für die Anwendung bei schwierigen Fertigungsbedingungen für verantwortungsvolle Qualitätssicherungsaufgaben.
Use Case 3
Use Case 3 thematisiert die effektivere und effizientere Montage durch digital gestützte Werkzeuge sowie die flexible und sichere Verwendung in rauer Baustellenumgebung. AR-Techniken in Schutzbrillen können zukünftig Unterstützung bei der Orientierung auf der Baustelle geben und Zusatzinformationen liefern, die heute beispielsweise auf Plänen dokumentiert und kommuniziert werden. So soll im Anwendungsfall die Prozesskette von der Montageplanung, der Logistik bis hin zur Montageunterstützung anhand einer Gitterschalenkonstruktion gezeigt werden. Den Monteuren werden neben der Montagesequenz, der Identifikation und Lokalisierung richtiger Bauteile und Werkzeuge auch die Dokumentation von Arbeitsschritten, wie das Verifizieren korrekter Bauteillage oder korrekter Anzugsmomente von Schrauben ermöglicht.
DigitalTWIN auf der BAU 2019
DigitalTWIN und das Themencluster Bau- und Beschäftigung des Smart Service Welt II-Förderprogramms wird am Stand der se commerce (Halle C5.130) präsent sein. Interessierte können mittels AR-Technik und einem realen Exponat eines Knotens in den Use Case 3 schnuppern und sich über das Forschungsprojekt informieren. Aussteller ist als Konsortialführer die se commerce GmbH.
Das Konsortium
DigitalTWIN ermöglicht durch die weltweit tätigen Partner die Diskussion der Rahmenbedingungen in den unterschiedlichen Märkten und die Reflexion, wie zukünftig das Bauschaffen in Deutschland und die Struktur unserer Wirtschaft als Vorteil im global umkämpften IT-Markt genutzt und ausgebaut werden kann. Dementsprechend formen führende Dienstleister und Industrieunternehmen aus den Bereichen Bau, IT-, Kommunikations- und Automatisierungstechnik sowie führende Forschungseinrichtungen das Konsortium. Die Konsortialpartner sichern durch ihr breites Kompetenzspektrum die Expertise des interdisziplinären Vorhabens. DigitalTWIN schafft durch die Kompetenzbündelung von namhaften Beteiligten einen Mehrwert für die Realisierbarkeit der IKT-Lösungen und ermöglicht eine direkte und kritische Überprüfung, ob die Konzepte und Ansätze praxistauglich umgesetzt werden können. Begleitet wird das Projekt von Expertisen zur Datensicherheit, IT-Sicherheit sowie zur methodischen Optimierung von Unternehmensprozessen, um den Einsatz in sehr unterschiedlichen Firmenstrukturen und Anwendermärkten sicherzustellen.
se commerce GmbH
Die se commerce GmbH ist Konsortialführer des Forschungsprojektes. Das IT-Unternehmen ist Teil der seele Unternehmensgruppe und schafft für den weltweit tätigen Fassadenbauspezialisten die Hard- und Softwareinfrastruktur und entwickelt bestehende Softwarelösungen weiter. Durch das Softwareentwicklungsteam werden seele-spezifische Anforderungen an das ERP-System schnell und kompetent umgesetzt. Ein Schwerpunkt ist das Zusammenführen unterschiedlicher EDV-Anwendungen zu einer komplett verknüpften Systemlandschaft. Durch dieses breite Spektrum wird eine schnelle und optimale Umsetzung der IT-Anforderungen unter Einhaltung der geltenden Bestimmungen zu Datenschutz und Datensicherung gewährleistet. seele hat ein Interesse die Abstimmungen im Bauwesen zu verbessern, um für die Kunden projektspezifisch eine bessere Planbarkeit, Kosten- und Terminsicherheit zu ermöglichen. „Schon heute ist beispielsweise das Montageteam in Kalifornien durch VPN Tunnel mit unseren Ingenieuren in Gersthofen verbunden“, so Projektleiter Dr. Fabian Schmid. „Die Kommunikation durch Endgeräte wie VR/AR-Brillen zu unterstützen und die Projektabwicklung durch digitale Techniken zu verbessern, um Problem und Lösung in Echtzeit gemeinsam abzustimmen, würde den Arbeitsalltag enorm erleichtern.“
Heinrich-Hertz-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V.
Innovationen für die digitale Gesellschaft stehen im Mittelpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Fraunhofer-Instituts für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI. Dabei ist das Fraunhofer HHI weltweit führend in der Erforschung von mobilen und optischen Kommunikationsnetzen und -systemen sowie der Kodierung von Videosignalen und Datenverarbeitung. Gemeinsam mit internationalen Partnern aus Forschung und Industrie arbeitet das Fraunhofer HHI im gesamten Spektrum der digitalen Infrastruktur – von der grundlegenden Forschung bis hin zur Entwicklung von Prototypen und Lösungen. Das Institut trägt signifikant zu den Standards für Informations- und Kommunikationstechnologien bei und schafft neue Anwendungen als Partner der Industrie. Ein Fokus liegt auf der optischen Drahtloskommunikation. Sie ermöglicht Hochgeschwindigkeits-Datenverbindungen für Bereiche mit besonderen Anforderungen an Sicherheit und elektromagnetischer Verträglichkeit. Forschungsschwerpunkte liegen außerdem bei der Videocodierung und -übertragung. Das Fraunhofer HHI leistet einen wichtigen Beitrag für die Forschung in den Bereichen effizienter Kompressionsmethoden, Computer Vision, Machine Learning sowie für die Integration von realen und virtuellen Welten für immersive Multimedia-Anwendungen.
Telegärtner Karl Gärtner GmbH
Die Telegärtner Karl Gärtner GmbH ist ein im Jahr 1945 gegründetes Unternehmen der Nachrichtentechnik, dessen Stammsitz sich seit 1948 in Stuttgart befindet. Als inhabergeführtes Familienunternehmen hat sich die Telegärtner Gruppe zu einem weltweit agierenden Spezialisten in den Bereichen Daten- und Telekommunikation entwickelt mit einer besonderen Expertise in der Verbindungs- und Schnittstellentechnik. Das Produktprogramm umfasst HF-Komponenten für Mobilfunkanwendungen, Netzwerklösungen für die strukturierte Gebäudeverkabelung sowie modular aufgebaute Programme im Industrie- und LWL-Bereich. Bei Telegärtner werden aktuell die Inhalte der Datennetzwerktechnik und Mobilkommunikation so zusammengeführt, wie es die Konvergenz der Kommunikationsnetze vorgibt und sollen perspektivisch um Dienstleistungen wie Planung und Inbetriebnahme ergänzt werden. Außerdem sollen Lösungen für den kurzfristigen, flexiblen Aufbau von Breitbandnetzinfrastruktur mit der Möglichkeit zu dauerhafter Nachnutzung im Vordergrund stehen. Telegärtner möchte ein höheres Detailverständnis für die Anwendersicht auf die komplexen Verhältnisse bei Großinfrastrukturprojekten und die aktuellsten Strategien weltweit beteiligter Akteure zur effizienten Umgehung der unvermeidlichen Ablaufstörungen erwerben. Die Telegärtner Unternehmensgruppe erwirtschaftete mit 650 Mitarbeitern weltweit über 100 Mio. Euro Umsatz.
Carl Zeiss 3D Automation GmbH
Die Carl Zeiss 3D Automation GmbH (Tochterunternehmen der Carl Zeiss Industriellen Messtechnik GmbH, Teil der Carl Zeiss AG) entwickelt, produziert und liefert Zubehör und Automatisierungslösungen für die industrielle Mess- und Prüftechnik. Die Produkte reichen von Mikrotastern, Taststiften, Tastersystemen, Sensorsystemen zur Raumklimaüberwachung und Palettensystemen mit Temperaturfühlern bis zu manuellen oder automatischen Vorrichtungen für das Aufspannen von Werkstücken. Im Zuge der Aktivitäten zu Industrie 4.0 wird an der Realisierung digitaler Messräume und der Ausstattung kompletter Produktionshallen mit Sensornetzwerken gearbeitet. Dadurch wurde das Unternehmen in 2017 für eine Auszeichnung im Rahmen der Ausschreibung „100 Orte für Industrie 4.0 in Baden-Württemberg“ ausgewählt. Zeiss 3DA plant im Projektvorhaben die untersuchten Technologien digitaler Zwillinge zur Planung, Ausstattung, Betrieb und Wartung von digitalen Messräumen einzusetzen und daraus eine Branchenlösung für die Messtechnik abzuleiten.
planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH
Die planen – bauen 4.0 Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH (PB40) vereint als Non-Profit-Plattformgesellschaft in Ihrer Gesellschafterstruktur die Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben. Ihr Ziel ist es die Digitalisierung der Bauwirtschaft in Deutschland durch vielfältige Aktivitäten in Bezug auf Netzwerkbildung, Wissenstransfer, nationaler und europäischer Normung sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen für die durchgängige Nutzung digitaler Methoden in der mittelständisch geprägten Bauwirtschaft zu unterstützen. Sie kann dabei auch auf diverse Fachexpertisen innerhalb des Gesellschafterkreises zurückgreifen. Wesentliche Handlungsbereiche sind zudem Zertifizierungen jeglicher Art sowie die Bereitstellung von Tools und Hilfsmitteln zur Unterstützung und Förderung der digitalen Arbeitsweise. Die PB40 war maßgeblich an der Entwicklung des Stufenplans Digitales Planen und Bauen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur beteiligt. Sie berät und begleitet alle aktuellen BIM Pilotprojekte des Bundes im Bereich Hochbau, Straße, Schiene und Wasserstraße. Darüber hinaus ist sie in zahlreichen nationalen und internationalen Projekten zur Standardisierung und Implementierung der modellbasierten Arbeitsweise involviert.
Werner Sobek Stuttgart AG
Werner Sobek Stuttgart ist Mitglied der Firmengruppe Werner Sobek. Diese steht weltweit für Engineering, Design und Nachhaltigkeit. Die Firmengruppe ist in Stuttgart, Dubai, Frankfurt, Istanbul, London, Moskau und New York mit Büros vertreten. Die Arbeiten der Firmengruppe zeichnen sich durch hochklassige Gestaltung auf der Basis von herausragendem Engineering und ausgeklügelten Konzepten zur Minimierung von Energie- und Materialverbrauch aus. Das 1992 gegründete Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern bearbeitet alle Typen von Bauwerken und Materialien. Besondere Schwerpunkte liegen im Hochbau, in der Fassadenplanung sowie in der Nachhaltigkeitsberatung. Werner Sobek Stuttgart wurde beim BIM Award 2016 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.